Herstellung von Schneckengetrieben
- für astronomische Verwendung -


Letztes Update: 15.09.09
 
Die Nachführung einer Teleskopmontierung zur Kompensation der Erddrehung erfolgt traditionell über ein Schneckengetriebe an der Stundenachse der Montierung. Schneckengetriebe haben sich für diese Anwendung bewährt, da sie die Möglichkeit eines großen Übersetzungsfaktors in einer einzigen Getriebestufe bieten, selbsthemmend sind, und mit der erforderlichen hohen Genauigkeit hergestellt werden können.

Insbesondere der letzte Punkt ist für astronomische Verwendung kritisch: der kurzzeitige Nachführfehler eines Stundenantriebs sollte wenige zehn Bogensekunden nicht überschreiten, vor allem wenn das Teleskop zur Fotografie mit langen Belichtungszeiten eingesetzt wird.

Man kann die Fehler eines Schneckengetriebes einteilen in
- Fehler des Schneckenrades (Teilungsfehler, Rundlauffehler)
- Fehler der Schnecke (Steigungsfehler, Rundlauffehler)
- Fehler der Lagerung von Schnecke und Rad.
Charakteristisch für die Fehler von Schnecke und Schneckenlagerung ist dass sie sich bei kontinuierlich laufendem Antrieb nach jeder Schneckenumdrehung wiederholen (typischerweise ca. alle 5 - 10 Minuten). Deshalb werden diese Fehler zusammengenommen als Periodischer Fehler bezeichnet.


Schneckengetriebe der gewünschten Qualität für astronomische Anwendung sind sehr viel teurer als Getriebe für allgemeine Maschinenbauzwecke. Sie müssen wesentlich kleinere Fehler aufweisen, benötigen andererseits aber keine sonderlich hohe Belastbarkeit. 


Es ist möglich entsprechende Schnecken und Schneckenräder selbst herzustellen. In der ATM-Literatur ist seit vielen Jahrzehnten die "Gewindebohrer-Methode" zur Herstellung von Schneckenrädern bekannt. Dabei wird ein Gewindebohrer verwendet, der eine Verzahnung in den Umfang eines Rad-Rohlings schneidet. Die dazu passende Schnecke wird mit gleichen Gewindeabmessungen mit der Drehmaschine gefertigt.

Eine Möglichkeit der Realisierung sieht so aus dass der Gewindebohrer in das Futter einer Drehmaschine gespannt wird, und der Rad-Rohling auf einem frei drehbaren Support senkrecht dazu. Im einfachsten Fall wird das Rad nicht von außen angetrieben, sondern der Gewindebohrer "schraubt" sich entlang des Radumfangs, und versetzt dadurch das Rad in Drehung mit der richtigen Geschwindigkeit. Als Werkstoff für das Rad wird hier üblicherweise eine Aluminiumlegierung verwendet, da am einfachsten zu bearbeiten und gewichtsmäßig vorteilhaft. 

Das nachfolgende Bild zeigt einen entsprechenden Versuchsaufbau. Als Werkzeug dient ein M16x2 Gewindebohrer (spiralgenutet). Zu Beginn des Fräsvorgangs stellt man am Querschlitten der Drehmaschine ca. 0,5mm zu, so dass die Spitzen des Gewindebohrers in den Rohling eindringen und diesen in Drehung versetzen. Im weiteren Verlauf erhöht man die Zustellung schrittweise, bis die volle Gewindetiefe erreicht ist.
Es kommt übrigens, wenn die erste Umdrehung des Rades erfolgt ist, zur Ausbildung eines Doppel-Zahnmusters. Das ist darin begründet dass der erste Zahn in der Regel nicht wieder exakt getroffen wird. Im Verlauf der Fertigung gleicht sich dieser Übergangsbereich jedoch an, so dass am Ende nur die Zähne an den gewünschten Positionen verbleiben.





Das im Versuch entstandene Rad (Durchmesser ca. 100mm). Auf den ersten Blick sieht es recht gelungen aus, jedoch ergab eine Messung einen recht großen Teilungsfehler (einige Zehntel Millimeter über ca. 20 Zähne gemessen). Damit läßt sich nicht die gewünschte Präzision des Stundenantriebs erreichen.







Die Ursache des Teilungsfehlers liegt ohne Zweifel am nicht hinreichend präzisen Weitertransport des Rades beim Fräsvorgang. Vor allem an der Überlappungsstelle zeigen sich Fehler. Verschiedene Folgeversuche lassen darauf schließen dass nur mittels einer Zwangsführung des Rades, synchronisiert mit der Drehung des Gewindebohrers, ein signifikant besseres Ergebnis erreichbar ist.


Aus diesem Grund wird eine Erweiterung des Fertigungsaufbaus vorgenommen. Unterhalb des Rad-Rohlings wird ein einfaches, kommerziell erhältliches Schneckengetriebe für allgemeine Maschinenbauzwecke montiert, dass die Führung des Rohlings sicherstellt. Über passend gewählte Zahnräder erfolgt eine Ankopplung an die Hauptspindel der Drehmaschine, zur Synchronisierung der Raddrehung mit der Drehung des Gewindebohrers.



Für das Stundengetriebe der Montierung soll ein Schneckenrad mit ca. 170mm Durchmesser verwendet werden. Eine genaue Berechung von Teilung
und Zahntiefe ergibt als mögliche Kombination 171,5mm Außendurchmesser bei 264 Zähnen. Für den Fertigungsaufbau bedeutet das: auf 264 Umdrehungen des Gewindebohrers muss exakt 1 Umdrehung des Rohlings erfolgen, und damit auch 1 Umdrehung des Führungsgetriebes. Da dieses eine Übersetzung von 100:1 hat, muss über verschiedene Zahnrad-Kombinationen die Drehung der Hauptspindel um den Faktor 2,64 reduziert auf die Schneckenwelle des Führungsgetriebes gegeben werden. In obigem Bild sind die erforderlichen Zahnräder zu sehen: 40 Zähne auf der Hauptspindel, dann folgt das große weiße Zahnrad (nur um den richtigen Abstand zu schaffen) mit 130 Zähnen, dieses treibt ein Rad mit 80 Zähnen auf der Verbindungswelle, an deren rechtem Ende sitzt ein Rad mit 50 Zähnen, was schließlich ein Rad mit 66 Zähnen auf der Schneckenwelle antreibt. 80/40 * 66/50 = 2,64.




Hier ist zu sehen wie im unteren Bereich des Rad-Supports das Führungsgetriebe eingebaut ist. Außerdem erkennt man ein Kugellager, das den Rohling nach unten abstützt. ein ähnliches Lager befindet sich direkt unter dem Gewindebohrer. Sie dienen zur Erhöhung der Steifigkeit und Spielfreiheit des Aufbaus.


Der Ablauf des Fräsvorgangs unterscheidet sich etwas von der freilaufenden Methode. Um zu verhindern dass sich der Rohling löst, oder irgendwie gegen das Führungsgetriebe verdreht, und auch um keine zu großen Kräfte aufkommen zu lassen die vielleicht zum Blockieren  führen könnten, stelle ich über den gesamten Fräsvorgang nur sehr langsam zu. Am Anfang ca. 0,1mm pro Umlauf, später nur ca. 2-4 Hundertstel. Die Drehzahl des Gewindebohrers liegt bei 125 pro Minute.




Ein dauerndes Problem sind die entstehenden Späne. Man kann sie gar nicht schnell genug wegbürsten, und immer wieder kommt es vor dass sie in der entstehenden Verzahnung hängenbleiben. Was das für die Genauigkeit bedeutet muss sich noch herausstellen.




Nach einer Gesamtzustellung von 2,3mm ist die volle Zahntiefe erreicht. Ein paar Umdrehungen ohne Zustellung schließen den Fräsprozess ab.

Das Ergebnis sieht recht erfreulich aus:






Nach der gleichen Methode wurde auch das Deklinations-Schneckenrad hergestellt, mit einem Durchmesser von ca. 137mm und 210 Zähnen.

 

Die Schnecken bzw. Schneckenwellen werden aus einem Automatenstahl gedreht. Wichtig ist natürlich ein möglichst guter Rundlauf zur Minimierung des Taumelfehlers. Deshalb werden das Schneckengewinde und die Lagerstellen in einer Aufspannung bearbeitet.









Die Lagerung erfolgt über Messing-Gleitlagerbuchsen. Das radiale und axiale Spiel kann eingestellt werden.










Der nächste Schritt wird in der Bestimmung des periodischen Fehlers bestehen. Als größte Fehlerquelle vermute ich die Ungenauigkeit der Leitspindel der Drehmaschine. Dadurch entsteht ein Steigungsfehler der Schnecke, der sich als periodischer Fehler mit der Periodendauer einer Schneckenumdrehung zeigt.

Die Ungenauigkeiten des Führungsgetriebes, in erster Linie dessen periodischer Fehler, hoffe ich beim Einschleifen des Schneckengetriebes an der Montierung reduzieren zu können. Da sich 1 Zahn des Führungsgetriebes auf 2,64 Zähne des hergestellten Rades "verteilt", rechne ich mit einer Glättungswirkung beim Einschleifen.


Update 15.09.09

3 Jahre liegen diese Versuche nun schon zurück... Zeit für ein paar abschließende Worte.

Das Schneckengetriebe wurde in obiger Form an die Montierung gebaut, eingeschliffen, und zunächst mit einem hochauflösenden Drehgeber vermessen. Das sah dann so aus:



Der Drehgeber wird über ein Reibrad von der Kupplungsscheibe angetrieben. Die Gummis erzeugen lediglich den Anpressdruck.

Dabei zeigte sich ein periodischer Fehler um die +/-15". Eine längere Suche deutete schließlich auf ein Problem der Lagerung der Leitspindel an der Drehmaschine hin (und weniger die Spindel selbst, wie zunächst vermutet). Diese Lagerung hatte einen Rundlauffehler, der sich auf die Schraubenlinie der angefertigten Schnecke übertrug. Eine Überarbeitung der Spindellagerung und natürlich Neuanfertigung der Schnecke reduzierte diesen Fehler etwa auf die Hälfte.

Weitere Fehler entstanden an den Gleitlagern der Schnecke, in erster Linie ein axialer Pendelfehler. Auch hier scheint die bescheidene Genauigkeit der Drehmaschine die Ursache zu sein. Durch axiales Einschleifen der Kontaktflächen von Schneckenwelle und Lagerbuchsen  konnte eine deutliche Verbesserung erreicht werden. Mit einer Messuhr wird dieser Fehler sichtbar.
 
Es zeigte sich dass der PE auch davon abhing, wie die Lagerböcke der Schneckenwelle auf der Grundplatte angeschraubt wurden. Das verbleibende Radialspiel zwischen Schneckenwelle und Lagerbuchsen ließ eine kleine Verdrehung der Lagerböcke beim Anschrauben zu, die jedesmal anders war. Deshalb wurden die Messingbuchsen geschlitzt, um durch Anziehen einer tangentialen Schraube im Lagerblock die Buchsen fest auf die Welle klemmen zu können. In diesem Zustand wurden die aufgeklemmten  Lagerböcke auf einer planen Fläche eingeschliffen, und erst nach dem Anschrauben auf der Getriebeplatte und Zahnspieleinstellung wurde die Tangentialklemmung soweit gelöst dass die Schnecke sich gerade so drehen lässt.


Irgendwann waren die Fehler so klein geworden, dass sie der Drehgeber nicht mehr zuverlässig aufgelöst hat. Die nachfolgenden Schritte mussten deshalb mittels Strichspuraufnahmen am Himmel kontrolliert werden, was natürlich recht langwierig war.

Es wurde noch eine kleine Verkippung der Wellenmutter beseitigt, die das axiale Spiel der Schneckenwelle in den Lagerbuchsen einstellt. Schließlich wurde auch die Zentrierung des kleinen Schneckenrades des Vorgetriebes auf der Schneckenwelle überarbeitet. Hier zeigte sich, dass je nach Orientierung und Mittenversatz dieses Rades der Periodische Fehler größer oder kleiner wurde. Es wurde schließlich eine optimale Stellung gefunden, bei der der Fehler nur noch +/-3" betrug. Hierbei scheint aber eine teilweise Kompensation durch den Rundlauffehler des kleinen Schneckenrades zu erfolgen, so dass der reale PE des großen Getriebes wohl etwas größer ist.


Zur Ermittlung des PE am Himmel wurden mit einem 6" f12 Mak, bei Brennweite 1800mm, und einer DSLR Strichspuraufnahmen bei leicht dejustierter Polachse aufgenommen. Hier eine Messung bei optimaler Konfiguration über eine Gesamtdauer von 60 Minuten:



Die Unterbrechung geht auf einen Akkuwechsel zurück.


Die fertigungstechnischen Probleme im Bereich der Schneckenlagerung waren eigentlich die größte Herausforderung beim selbstgemachten Schneckengetriebe. Die erreichte Genauigkeit der eigentlichen Verzahnung ist wirklich erstaunlich, wenn man den primitiven Fertigungsaufbau betrachtet.


Noch zu erwähnen ist, dass die genaue Höheneinstellung der Schnecke zum Rad wichtig ist. Durch Schwärzung der Radverzahnung mit einem Filzstift und anschließendem Drehen der Schnecke um ein paar Umdrehungen kann sichtbar gemacht werden, an welchen Stellen Rad und Schnecke sich berühren. Dieses sogenannte Tragbild soll etwa in der Mitte der Verzahnung liegen. Die Schneckenlagerung ist entsprechend zu verändern, bis das der Fall ist. Hier Beispiele für schlecht und gut:


 



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